Die Schleier der Göttin
Eines Nachts während der Raunächte träumte ich von der Göttin. Sie zog einen Schleier von mir weg und zeigte sich als Schöpferin, Hüterin und Nährende allen Lebens.
»Kein Sterblicher, sagt sie,
Rückt diesen Schleier, bis ich selbst ihn hebe.
Und wer mit ungeweihter, schuld’ger Hand
Den heiligen, verbotnen früher hebt,
Der, spricht die Gottheit« – »Nun?« – »Der sieht die Wahrheit.«http://gutenberg.spiegel.de/buch/friedrich-schiller-gedichte-3352/195
Das Jesuskind, das den Schleier lüftet Saint Chapelle, Paris
„Ich bin alles, was ist, was gewesen ist und was sein wird. Kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben.“
Friedrich Schiller, Vom Erhabenen (1793)
Sie war der Weltkörper, der Urabgrund, aus dem die Sonne zuerst aufstieg … Sie war der verschleierte Geist, den kein Sterblicher von Angesicht zu Angesicht erblicken konnte. Neith nannte sich ‚alles was war, was ist und was sein wird‘, ein Satz, der in das neue Testament übernommen wurde (Offenbarung 1,8). … Die Göttin selbst wurde in der Bibel in die Gattin Josefs verwandelt, dessen ägyptischer Name bedeutete: ‚Er kam durch das Wort der Göttin (neter) zur Welt.‘Walker, Barbara G.: Das geheime Wissen der Frauen, 784 f.
„In Sais hatte das Standbild der Athene, die man auch für die Isis hält, folgende Inschrift «Ich bin das All, das Vergangene Gegenwärtige und Zukünftige, meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet.»“

„Unter himmlischen Wohlgedüften entschlummerte er, weil ihn nur der Traum in das Allerheiligste führen durfte. Wunderlich führte ihn der Traum durch unendliche Gemächer voll seltsamer Sachen auf lauter reitzenden Klängen und in abwechselnden Accorden. Es dünkte ihm alles so bekannt und doch in niegesehener Herrlichkeit, da schwand auch der letzte irdische Anflug, wie in Luft verzehrt, und er stand vor der himmlischen Jungfrau, da hob er den leichten, glänzenden Schleyer, und Rosenblüthchen sank in seine Arme.“

Link zum Text: Novalis Die Lehrlinge zu Sais

Schwarze Madonna Einsiedeln